Ambulanter Dienst – Hilfe für Pflegebedürftige[/size] Krankenschwester Liane Hartmann im „You & Me MS-Forum“-Interview über ihren Beruf, Multiple Sklerose Patienten und das deutsche Gesundheitssystem
Die im Land Brandenburg lebende, 38jährige Krankenschwester Liane Hartmann ist seit 1991 in der Kranken-Versorgung tätig. Nach dem Examen zur Krankenschwester erwarb sie 1998 eine Zusatzqualifikation zur Qualitätsbeauftragten für Versorgungen im SGB XI (Pflege). Die letzten 10 Jahre arbeitete Frau Hartmann im ambulanten Dienst.
Warum haben Sie sich entschieden Krankenschwester zu werden? Ich habe diesen Beruf erlernt, um Menschen helfen zu können. Eine sinnvolle, für mich wichtige und befriedigende Tätigkeit.
Was genau muss man sich unter dem ambulanten Dienst vorstellen? Im ambulanten Dienst erfolgt eine individuelle Versorgung in der häuslichen Umgebung der/des Bedürftigen. Eine sinnvolle Versorgung wird über die Zusammenarbeit von Bedürftigem, Angehörigen, behandelnden Ärzten und des ambulanten Dienstes erreicht.
Welche Erkrankungen haben die Patienten, die Sie im ambulanten Dienst betreuen? Alle vorhandenen Krankheitsbilder. Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Dekubiti oder auch Kinderlähmung, um nur einige zu nennen.
Wie oft werden die Patienten im ambulanten Dienst betreut? Das hängt meist von der Bedürftigkeit und der geplanten Maßnahmen ab. Ich würde sagen ein- bis fünfmal täglich.
Wie läuft diese Betreuung während Ihres Besuches ab? Im Vordergrund steht für mich der Mensch. Deshalb kommt für mich an erster Stelle auch die Kommunikationsebene. Ich spreche mit den Patienten über „Himmel und die Welt“, erfrage und beobachte den Ist-Zustand um gegebenenfalls. reagieren zu können. Somit kann ich eruieren, welche individuellen Maßnahmen durchzuführen sind.
Gibt es bei dieser Art der Betreuung Vorteile für beide Seiten? Das Schöne an der Häuslichkeit ist, dass ich als Krankenschwester im ambulanten Dienst die Möglichkeit habe, nur für den jeweiligen Patienten da zu sein. Für diesen selbst bedeutet es natürlich auch einen Vorteil, da er in seinem gewohnten Umfeld bleiben kann.
Welche Maßnahmen muss man als MS-Patient ergreifen, um ambulante Pflege zu bekommen? Die reguläre Versorgung erfolgt in Abrechnung mit Kranken- bzw. Pflegekasse. Das heißt, der zu Versorgende sollte eine Pflegestufe oder einen Behandlungspflegeschein haben, um pflegerisch versorgt werden zu können. Es besteht auch immer die Möglichkeit Zusatzleistungen auf Privatbasis zu erhalten – also selbstfinanziert.
In jedem Fall ist es sinnvoll, sich im Vorfeld über die Leistungen der in der Region befindlichen ambulanten Dienste, einen Überblick zu verschaffen und zu vergleichen. Nach der Auswahl ist in einem guten Pflegedienst ein Ansprechpartner für einen da. Das kann eine Sozialarbeiterin oder eine Pflegedienstleiterin sein. Dieser ist dann dabei behilflich, alle weiteren Maßnahmen zu planen und durchzuführen, Arzt-, Kranken- und Pflegekassenkontakte zu organisieren.
Wie sehr sind die MS-Patienten, die Sie betreuen, durch ihre Krankheit eingeschränkt? Das ist sehr unterschiedlich und geht über vom fast nichts Merken bis zur Rollstuhlpflichtigkeit und teilweise vollständigen Pflegebedürftigkeit. Also ist hier von leichten bis schwersten Einschränkungen alles vertreten.
Haben Sie eine besondere Erfahrung mit MS-Patienten gemacht? Gab es zum Beispiel eine berührende Situation für Sie als Krankenschwester? (Liane Hartmann lacht) Klar – wie lange haben Sie denn Zeit für das Interview?
Am schönsten war für mich das Erlebnis als ein Paar nach der Wende aus dem Pflegeheim in einen eigenen Haushalt zog. Sie mit Kinderlähmung und er mit MS – beide rollstuhlpflichtig. Dadurch erlangten die beiden wieder ihre Eigenständigkeit und konnten sich wieder frei fühlen. Es war einfach überwältigend für mich.
Haben Sie den Eindruck, dass viele MS-Patienten durch den Erhalt der Diagnose MS verzweifelt sind? Es gibt sicherlich immer wieder mal ein Tief. Ich denke jede Negativ-Diagnose schockt. Es kommt immer darauf an wie man als Betroffene(r) damit umgeht. Abhängig von der jeweiligen Persönlichkeit versuche ich bei so einem Tief des Patienten für ihn da zu sein, mit ihm zu sprechen.
Sind Ihre MS-Patienten dankbar für die Betreuung? Dankbarkeit erwarte ich nicht. Wenn ich einen Menschen kenne und er mich, braucht man nicht so viele Worte und ein ständiges Dankeschön.
Was ist Ihr persönlicher Leitsatz als Krankenschwester? Ich achte jeden Menschen so wie auch ich behandelt werden möchte – mit Würde und Ehrlichkeit.
Hat Sie Ihr Beruf in irgendeiner Hinsicht verändert? Ja! Ich kann über viele Themen offener sprechen und bin in manchen Situationen nachdenklicher geworden.
Was denken Sie über das Gesundheitssystem in Deutschland? Eine gute Frage! Ich denke mal ganz vorsichtig, dass es manchmal sinnvoll wäre unsere Gesundheitspolitiker für eine Zeit lang mit den verschiedensten Krankheitsbildern zu bedenken, damit diese bemerken, dass sie oftmals falsch denken und handeln.
Ich habe auch Angst vor der zunehmenden Verschlechterung des Gesundheitssystems. Vor allem um Menschen, die sich nicht viel leisten können. Wenn ich in selbst mal in die Situation komme, auf Hilfe angewiesen zu sein, hoffe ich, dass dazu dann auch noch die Möglichkeit besteht.
Vielen Dank für das Interview!
[size=85]Interview geführt von Doris Welkovics (Admina You & Me Multiple Sklerose Forum)